30 Jahre Kunsthalle Kühlungsborn
Von Meistern und Musen, Strandsand, Zeitgeist und Musik. Die Kunsthalle Kühlungsborn wird 30 Jahre. Ein Portrait.
Wenn man in Kühlungsborn-West flaniert, an einem wolkenlosen Sommertag oder im sturmerprobten Herbst, und dabei vom Baltic-Platz aus die Promenade entlanggeht, dann liegt leicht erhöht gegenüber der Ostsee eine Institution, die Seltenheitswert hat. Eine Kunsthalle mit Meerblick – das ist weder an der Ostsee noch für andere Küsten ein selbstverständlicher Anblick. Nach einem Konzert, der Bilderschau oder anregenden Gesprächen nach draußen zu treten mit diesem Panorama im Blick und Seewind in der Luft: ein sehr besonderes, prägendes Erlebnis. Der Autor des Textes verbindet neben dieser ersten Tugend noch zwei weitere wichtige Eigenschaften mit dieser Kunsthalle: Jugendstil in einer überraschenden Gestalt und persönliche Begegnungen mit besonderen, ebenfalls seltenen Gästen.
So waren hier schon Meister und Musen zu Gast, preisgekrönte Gitarristen und Fotografen, Ministerpräsidenten, Bundeskanzler und Nobelpreisträger. Armin Mueller-Stahl war in der Kunsthalle zu sehen, Günter Grass, Udo Lindenberg als Besucher, Gojko Mitić, Max Moor und Hardy Krüger senior live zu erleben. Auch comicähnliche Persönlichkeiten schauen vorbei – gerade erst wieder zur großen Winterschau mit, natürlich, Corona-Cartoons. Ein Hauch von Hollywood im allerbesten Sinn verdankt sich Armin Mueller-Stahl: Der prominente Schauspieler, seit Jahren schon erfolgreicher Maler mit eigenem Atelier, porträtiert u. a. berühmte Kollegen, Filmschaffende, Künstler. Sein Glückwunschtelegramm zum 25. Jubiläum der Kunsthalle können Besucher heute in der Schauvitrine entdecken. Franz N. Kröger ist nicht nur künstlerischer Geschäftsführer und passionierter Gastgeber, sondern auch ein ausgewiesener Kenner dieser Kunsthalle. Vor 30 Jahren gehörte er zu den Akteuren, die das Gebäude aus seinem Schlaf holten.
Was waren damals die ersten, noch staubigen Eindrücke? „Der Bau war ziemlich marode und in einem sehr schlechten Zustand. Die Fenster waren mit Brettern von Fischkisten vernagelt“, erzählt er uns. „Der Fußboden kaputt und löchrig, wir mussten ihn mit Bergen von Strandsand auffüllen. Aber die Vorstellung war vollkommen klar: Es war einfach eine tolle Einladung, daraus eine Kunsthalle zu machen, und es stand auch nie wirklich etwas anderes zur Debatte.“ Das Gebäude von 1908 hatte immer noch viel Substanz und den müden Jahren vor 1989 getrotzt.
Eine Komplettsanierung war nötig, damals wie heute in enger Zusammenarbeit und Förderung durch die Stadt Kühlungsborn und das Land MV. Die gesamte Außenfassade wurde denkmalgerecht saniert, einige tragende Balken und 2 Säulen ausgetauscht. Im Laufe der Zeit folgten technische Maßnahmen wie die neue Lichtanlage, auch ein neuer Konzertflügel wurde angeschafft. „Bei solch intensiven Arbeiten stellt sich auch eine persönliche Beziehung zum Objekt ein“, verrät Franz N. Kröger. „Die Kunsthalle ist später Jugendstil, schon in Anlehnung an das Bauhaus, und sie hat Anlehnungen an eine chinesische Pagode. Mit der Lage auf dem Hügel ergibt sich zudem der Eindruck eines Tempels. Alles zusammen ist ein Kunsttempel in Kühlungsborn und ein für mich tolles Gebäude.“
Kurz zurück zum Meerblick: Manchmal wird daraus auch eine Meerversuchung. „Im Sommer kann man schnell mal in die Ostsee abtauchen, was viele unserer Künstler vor oder nach dem Auftritt tatsächlich nutzen. Und gerne auch den Aufenthalt im Ostseebad noch um ein paar Tage verlängern.“ Kühlungsborn bietet dank seiner Kunsthalle heute regelmäßig die Möglichkeit, einige Klassiker und Jahrhundertkünstler aus der Nähe zu sehen. Herausragend war z. B. die Schau „Kunst des 20. Jahrhunderts“. Solche hochkarätigen Arbeiten, Originalgrafiken der Klassischen Moderne, sind sonst eigentlich nur in den Kunstmetropolen zu finden: Expressionismus, Neue Sachlichkeit und Surrealismus, Klimt, Dalí und Picasso, Chagall und Marc, Andy Warhol oder Jonathan Meese. Auch musikalisch gehen die Kontakte heute in alle Welt, mit den jährlichen Jazz- und Gitarrenfestivals, mit Klängen aus Amerika, Brasilien, Asien, Afrika und Skandinavien.
Querschnitte des regional-norddeutschen sowie deutschsprachigen Kunstgeschehens sind eine weitere, tragende Säule im Programm. Wie genau der Mix aus international & regional zur Geburtstagsschau aussehen wird, steht aber noch nicht fest. Diese neue Ausstellung zum 30. ist gerade in der Planung. „Wenn in dieser Saison alles wieder stabil läuft, wollen wir auch das 30. Jubiläum in der Kunsthalle angemessen feiern. Näheres dann zu gegebener Zeit.“ Bis dahin ist ein virtueller Rundgang möglich: als kommentiertes Video auf der Website www.kunsthalle-kuehlungsborn.de. Und für den Herbst 2021 steht nochmal eine größere Veränderung an. Dann verjüngt sich unsere Kunsthalle mit einer Sanierung der Mauern, des Dachs und mit einem neuen, landschaftsgärtnerischen Umfeld.
Franz N. Kröger persönlich
1960 auf der Insel Poel geboren, aufgewachsen in Wismar. Fachschule für Clubleiter, Meißen. Studium Kunst- & Kulturwissenschaften, Humboldt-Universität Berlin. Leiter des Studentenclubs in Wismar. 1986 Entlassung und Berufsverbot wegen politischer Opposition, danach Tätigkeit als freier Maler & Grafiker. 1989 Mitbegründer des Neuen Forums, Intendant des Theaters Wismar. 1990 Gründung des Kunstvereins Kühlungsborn.