Olivia Arndt im Interview

Sie wird die erste Bürgermeisterin im Kühlungsborner Rathaus sein und ihr Amt zum 1. Januar 2025 antreten: Olivia Arndt, vor 45 Jahren im Ostseebad geboren und hier wohnhaft mit ihrer Familie, zu der auch zwei Töchter gehören. Mit 62,5% aller Stimmen wurde sie von den Kühlungsbornerinnen und Kühlungsbornern gewählt. Auch in Rerik, Satow sowie in Rostock gibt es aktuell Bürgermeisterinnen. Im Interview sprachen wir mit Olivia Arndt über ihren beruflichen Weg, kommunale Investitionen, geplante Termine und neue Ideen etwa zum Bürgerdialog. 

Stimmt es, dass Sie in Kühlungsborn gerne und oft spazieren gehen?

Ein ganz klares Ja. Ich bin hier gerne zu Fuß unterwegs und nehme mir diese Momente ganz bewusst, weil ich mich dabei gut sortieren kann. Auch zu den Terminen und Sitzungen aktuell gehe ich gerne zu Fuß. Zum einen kann man dabei immer wieder ins Gespräch kommen, und zum anderen bin ich am Ende des Tages bzw. Abends wieder deutlich geerdeter und ausgeglichen. Private Spaziergänge führen mich oft zum
Baltic-Platz und ganzjährig auch immer ans Meer. Beim Baden allerdings bevorzuge ich den Sommer und Temperaturen, die deutlich höher als einstellig sind (Lacht).

Sie haben auch einen Sportbootführerschein. Wie sah es in letzter Zeit bei diesem Hobby aus?

In den letzten Jahren meiner Berufstätigkeit hat sich das ein bisschen in den Hintergrund geschoben, weil es einfach andere Prioritäten gab. Davor bin ich sehr viel gesegelt, könnte auch jederzeit ein Segel- oder Motorboot steuern und hoffe, dass sich das wieder ermöglichen lässt.

Wie verlief Ihr Berufsweg in den letzten Jahren?
Beruflich bin ich seit 2013 beim BBL, dem Betrieb für Bau und Liegenschaften des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Dieser wurde 2020 umbenannt bzw. umstrukturiert in das Staatliche Bau- und Liegenschaftsamt. Dort bin ich noch bis zum 31.12. zuständig für die Abwicklung von EU-geförderten Bauprojekten, die unter Landesregie umgesetzt werden. Das bedeutet konkret: Diese Maßnahmen werden von mir förderrechtlich betreut bis nach der Fertigstellung, woraufhin die Endabrechnung erstellt wird und eine EU-Prüfung erfolgt.

Zu den Einzelprojekten gehören z. B. die Greifswalder Universitätsmedizin mit dem Forschungscluster der Hautklinik, der dortige Universitätscampus, der Biomedizinische Campus in Rostock oder der Neubau der Zentralen Medizinischen Funktionen an der Rostocker Uniklinik. Unser Amt war auch für die europaweit größte Baustelle zuständig, das Seuchenforschungsinstitut auf der Insel Riems, eine vom Bund geförderte Maßnahme. Das ist in seinen Dimensionen schon bemerkenswert, was die Kollegen da leisten.

Wie wichtig sind diese Förderprojekte?
Das Land realisiert in der Versorgung viele große Bauten. Es ist wichtig, dass wir dafür Fördermittel mit ins Boot holen, weil wir dann vor Ort wirklich gut investieren können. Gegenwärtig ist MV Nettonehmerland, d. h. wir erhalten aufgrund des Berechnungs-verfahrens im Schnitt das Doppelte an eingezahlten Fördermitteln zurück.
Wenn ich wiederum an den kommunalen Bereich denke, so ist es auch hier in den kommenden Jahren entscheidend, mithilfe von Förderungen Investitionen anzustoßen, um nicht stehenzubleiben. Eine spannende Perspektive ist für mich dabei, dass sich mein berufliches Wissen im kommunalen Bereich nochmal direkter und weniger abstrakt anwenden lässt. Durch die Anbindung vor Ort sehe ich, wo hier sozusagen „offene Baustellen“ sind und helfe gerne dabei mit, auch verfahrensseitig erfolgreich zu agieren.

Stichwort Verwaltungsabläufe und -strukturen: Welche Modernisierungseffekte haben Sie am Arbeitsplatz über die Jahre miterlebt?
In den letzten zwei Dekaden gab es nach Phasen des Stillstands einige große Modernisierungsschritte. Gerade die Corona-Pandemie hat hier nochmal beschleunigend gewirkt. Die Digitalisierung ist aus meiner Sicht eine riesige Chance, sofern man sie nutzt. Sie bringt Transparenz, schnelle Kommunikation und Weitergabe, gezielte Abrufbarkeit, ohne lange suchen zu müssen. Früher kam es durchaus vor, das man sich Akten erst beschaffen, dass man sie „suchen“ musste. Heute müssen wir uns nicht mehr durch Papierberge wühlen und sind dadurch logischerweise viel schneller und effizienter. Auch unsere Fördermittelanträge werden heute zum Großteil digital abgegeben. Es ist immer noch eine erhebliche Nachweispflicht da, aber der Weg wird schlanker.

Einen anderen wichtigen Fortschritt gab es bei der Möglichkeit, mobil zu arbeiten. Damit hängt ganz direkt auch das Thema Beruf & Familie zusammen – noch konkreter die Gleichstellung von Frauen. In unserem Amt z. B. ist es aktuell noch so, dass der Großteil der Teilzeitarbeit von Kolleginnen ausgeübt wird. Hier schafft Digitalisierung einen großen Schritt hin zur Möglichkeit, die Kinderbetreuung zu erleichtern und somit mehr Gleichstel-lung zu erreichen. Man ist dank Homeoffice einfach flexibler im Alltag. 2013 war das noch kein Standard, damals bin ich fünfmal pro Woche gependelt. Während des Wahlkampfs wurde mir tatsächlich mehr als einmal die Frage gestellt, wie ich als Bürgermeisterin die Betreuung meiner Kinder regeln würde. Diese Frage gehört nicht mehr ins Jahr 2024, finde ich, und wird männlichen Bewerber vermutlich nur selten gestellt.

Wurde Gleichstellung in Ihrem Wirkungskreis gut vorangebracht?
In der Landesverwaltung ist das Bestreben seit Jahren ganz klar zu sehen, Frauen in der Verwaltung und in Führungspositionen zu stärken. Auch in den einzelnen Ämtern wird das gut gefördert, etwa mit entsprechenden Fortbildungen. Ich selbst bin seit 5 Jahren gewählte Interessenvertreterin als Gleichstellungsbeauftragte und setze mich dafür ein, dass Frauen die gleichen Chancen und die gleichen Zukunftsrechte haben. Es ist immer noch ein Thema, hier eine gute Durchmischung zu haben.

Wieder ins Ostseebad und in die kommende Amtszeit geblickt: Welche Wünsche, Vorstellungen, Ideen haben die Kühlungsborner Ihnen mit auf den Weg gegeben?
In Gesprächen ist ganz oft deutlich geworden, dass sie informiert werden wollen. Informationen schaffen den wichtigen Brückenschluss zum Vertrauen. Die Bürgerinnen und Bürger wollen wissen, was in der Stadt los ist und vor allem auch, warum manche Dinge so sind. Sie möchten mitgenommen werden. Dazu ist es aus meiner Sicht wichtig, so viele Infos wie möglich bereitzustellen und idealerweise auch möglichst barrierearm zu kommunizieren.

Sie denken auch über künftige neue Dialogformen nach?
Wir haben schon vor der Wahl verschiedene Gesprächsformen angeboten, und diese Offenheit möchte ich gerne fortsetzen. Könnte es zum Beispiel „Strandkorbgespräche“ oder „Waldspaziergänge“ geben, als lockere und niedrigschwellige Angebote? Ich möchte auf jeden Fall immer ein offenes Ohr haben, denn ich denke, das gute Gehör findet außerhalb des Amtszimmers statt. Vielleicht macht es auch Sinn, im Rahmen eines Schulklassen-Projekts zu schauen, was unsere Schüler zu erzählen haben. Und vielleicht ebenso auf einem Kinderspielplatz, wo parallel auch die Kinderbetreuung möglich ist. Eine Bürgersprechstunde kann überall im Ort stattfinden.

Aus meiner Erfahrung sind es oft die kleinen Schrauben, die man bewegen kann, um schnelle Lösungen für bestehende Probleme zu erreichen. Es sind am Ende nicht die großen Bauprojekte, die unsere Stadt glücklich machen, sondern eben oftmals die kleinen Sachen, bei denen der Schuh manchmal drückt.

Welche Vorhaben werden ab Januar bei Ihnen auf der Tagesordnung stehen?
Ganz viele Prozesse laufen bereits. Deshalb werde ich das Rad auch nicht neu erfinden, sondern an den Projekten und Bedarfen arbeiten, die in Kühlungsborn erkannt worden sind. Hier geht es z. B. um die Ausstattung unserer Feuerwehr, um den Tourismus, von dem wir leben und seine Entwicklung, um Wohnen, Verkehr, Infrastruktur sowie Nachhaltigkeit. Das sind die Themen, mit denen unsere Stadt auch für die Zukunft gut aufgestellt bleibt. Es gibt ebenso Konzepte noch vor der Umsetzung, die man kritisch auf den Prüfstand stellen oder eben auch verschlanken kann, um die wesentlichen Punkte zu priorisieren. Von der Neubesetzung der touristischen Geschäftsführung in der TFK erhoffe ich mir natürlich eine tolle Symbiose, die für unser Ostseebad viel bewirken kann. Wir holen sozusagen gerade nochmal tief Luft, und dann geben wir die ganze Energie in die richtige Richtung.

Welche ersten Treffen und Dienstreisen der neuen Bürgermeisterin soll es geben?

Im Rathaus gibt es sehr gute Amtsleiter, bei denen ich mich generell schon jetzt informieren kann, ebenso wie beim amtierenden Bürgermeister. Mit den Amtsleitern werde ich mich im Januar auch abstimmen und schauen, wo drückt der Schuh aktuell. Weiterhin möchte ich das Netzwerk in der Ostseeregion stärken und bei den umliegenden Gemeinden Antrittsbesuche machen, um die Beziehung mit Leben zu füllen. Im Verlauf wird es auch Reisen in unsere Partnerstädte geben, um sich auszutauschen: Was wird dort auf welche Weise umgesetzt und vielleicht auch anders gemacht? Zudem ist es mir wichtig, mit unseren lokalen Unternehmen gute Verbindungen aufzubauen. Das Gleiche gilt für die Vereine und Ehrenamtler. Und direkt am 1. Januar wird es meine erste offizielle Ansprache geben, natürlich beim traditionellen Anbaden.

Noch bis Jahresende nehme ich als gewählte Stadtvertreterin an den Sitzungen und Ausschusssitzungen teil. Für mich als angehende Leiterin der Verwaltung ist es wichtig, die Perspektive unserer Ausschüsse zu kennen und zu wissen, was sie brauchen, um gut arbeiten zu können. Das ist schließlich die Basis, auf der wir dann aufsetzen.

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