enlighten Rückblick: Lichterwochen 2020
Der englische Begriff „enlighten“ hat verschiedene Bedeutungen, zum einen bezeichnet er das Erhellen, im Licht erstrahlen lassen, andererseits das Aufklären, das zur Erweiterung geistiger und gesellschaftlicher Horizonte führen soll. Dies kann sowohl durch jeden selbst als auch durch andere geschehen.
„enlighten“ wird der Auftakt zu einer jährlich wiederkehrenden Lichtkunstveranstaltung, die dem Ostseebad Kühlungsborn, gerade in der dunklen Jahreszeit, ein weiteres Highlight hinzufügt. Seit Ende der 1990er Jahre inszeniert die in Hamburg lebende Künstlerin Katrin Bethge Innen- und Außenräume mit Licht. Für das Ostseebad Kühlungsborn entwickelt die Künstlerin erstmalig und speziell für den Herbst 2020 mehrere Lichtinstallationen: Kunsthalle Kühlungsborn, Villa Baltic, Konzertgarten Ost sowie am Ostseegrenzturm. Auch 2021 – vom 24. Oktober bis 29. November zeigt die Kunsthalle Kühlungsborn eine Innenraum-Installation aus Projektionen, Spiegelungen und Reflexionen. Dazu ist dem visuellen Werk eine akustische Komposition des schwedischen Musikers John Eckardt zugeordnet.
Am 1. Advent Wochenende – 27. – 29. November 2020 – entstanden darüber hinaus im Außenraum abends drei Lichterzählungen von Bethge, die sie den jeweiligen Orten auf unterschiedliche Weise zuordnet. Das Publikum kann entlang der Strandpromenade diese auf einer Strecke von ca. 1,8 km besuchen. Alle Installationen thematisieren ortspezifisch den jeweiligen Standort, die Architektur und die Geschichte Kühlungsborns – und heben somit einzelne und für die Stadt bedeutsame Stellen heraus. Dazu gehören die Villa Baltic, der Konzertgarten Ost und der Grenzturm.
Bemerkenswerter Weise ist die von der Künstlerin genutzte Technik eine, die uns seit Jahrzehnten bekannt ist: sie arbeitet mit Overhead-Projektoren, jenen Apparaten, die früher in Schulen und Universitäten genutzt wurden – quasi als analoge Lichttafel – um über durchsichtige Folien Wissen sichtbar zu machen und weiterzutragen. Diese speziellen Projektoren dienen als universelle Licht- und Projektionsquellen.
Doch bei Katrin Bethge geht es nicht allein um Wissen oder historische Verbindungen, sondern vorrangig um Atmosphäre, Assoziationen, Interpretationen, auch darum, Verborgenes sichtbar machen und Umkehrungen zu kreieren. Einige dieser Umkehrungen wirken wie Paradoxien, denn das an sich statische Medium der Overhead-Projektion erwacht zu bewegtem Leben. Das geschieht einerseits durch sich in unterschiedlicher Geschwindigkeit rotierende Spiegel und Scheiben im Raum, die reflektieren und neue Lichtspuren ergeben und andererseits durch Becken mit Flüssigkeiten auf der Projektionsoberfläche, auf der normalerweise Folien liegen. In diesen Becken bilden sich durch chemische Prozesse kleine Luftblasen oder amorphe Gebilde. „Hexenküche“ nennt es die Künstlerin, wenn man danach fragt, wie sie das macht. Vergleichbar mit einem Kaleidoskop ergeben sich hier und dort prismatische Brechungen, Verzerrungen im Raum, Schichtungen und Schatten. Winzig kleine Gegenstände werden in der Projektion zu riesigen Gebilden. Auch Text und Textfragmente finden sich im Werk von Katrin Bethge. Einzelne Worte, ja Zusammenhänge lassen sich manchmal lesen, jedoch lösen sie sich oft langsam auf, werden fragmentarisch, schließlich zu Linien, Punkten zu neuen Zeichen bis sie schließlich ganz verschwunden sind.
Der Düsternis der Jahreszeit wird durch die Installationen etwas entgegengesetzt. Orte werden nicht nur lichtbeflutet, sie werden regelrecht organisch durchdrungen. Wieviel Fingerspitzengefühl, empirische Expertise und detailverliebte Arbeit in dem Werk steckt, kann das Publikum hoffentlich auch 2021 ab Herbst entdecken.