Markus Haaks – Im Interview mit dem neuen Pastor

„Wir haben mit der Kirche einen großen Schatz …
Diesen immer wieder mit der Gegenwart in ein Verhältnis zu setzen, ist eine große Herausforderung.“

Am Rande Kühlungsborns befindet sich in grüner, idyllischer Lage die St.-Johannis-Kirche, deren Kirchenschiff im 13. Jahrhundert erbaut wurde. Nebenan im Pfarrhaus trafen wir Markus Haaks, den neuen evangelischen Pastor. Sein Vorgänger Matthias Borchert war in Kühlungsborn über 15 Jahre tätig. Neben dem spannenden Lebenslauf des Pinnebergers interessierte uns auch, wie er aktuell und zukünftig im Ostseebad wirken möchte. „Zunächst ankommen und sich ein Bild machen. Dann viel zuhören, nachfragen und ins Gespräch kommen“, so ein Credo von Markus Haaks. Zum Beispiel über die Bibel, die an vielen Stellen vielfältig sei und damit auch widersprüchliche Bilder und Texte biete.

Sie sind seit November neuer Pastor der Evangelischen Gemeinde. Wo haben Sie zuvor gearbeitet?
Ich habe in Rostock meine Ausbildung als Vikar absolviert. Diese war breit gefächert, so dass ich in verschiedenste Bereiche hineinschauen und dort mitarbeiten konnte: Von Verwaltung und Büro bis hin zu Küsteraufgaben, die z. B. das Kirchengebäude und Kirchendach betreffen. In der Innenstadtgemeinde, mit ihren vielen Hauptamtlichen, konnte ich mich gut auf den Beruf des Pastors vorbereiten. Dabei ist man ja auch für viele Details und Kleinigkeiten zuständig.

Ein Schwerpunkt war insbesondere die Konfirmanden- und Jugendarbeit. Dazu gehörten natürlich auch Freizeiten und das Pilgern. Einige Gemeindefreizeiten haben uns zum Paddeln auf die Warnow und sogar bis auf die Moldau geführt, und wir haben ein Tauffest in Kessin erlebt. Das hat mir wirklich großen Spaß gemacht. Gerade die Paddelfreizeiten möchte ich gerne mitbringen und für die beiden Gemeinden Kühlungsborns anbieten. Ich könnte mir dafür den Bützower See vorstellen, ebenso Wildwasser-Ausflüge mit den Konfirmanden.

Welche anderen Themen möchten Sie als Pastor einbringen? Und was wird fortgeführt, etwa die Urlauberseelsorge?
Was ich vor allem kennengelernt habe, sind Gesprächskreise. Einfach ins Gespräch kommen über Glaubensthemen, über Lebensthemen, sich darüber austauschen, was die Menschen so beschäftigt. Auch gemeinsam die Bibel lesen, ihre Texte diskutieren und von dort ausgehend zu weiteren aktuellen oder grundsätzlichen Themen vordringen. Ein klassisches Beispiel: Woher kommt das Böse? Wieso gibt es Leid in der Welt?

Momentan bin ich auch noch im Prozess des Ankommens und mache mir ein Bild. Kühlungsborn ist eine sehr lebendige Gemeinde, in der schon sehr viel funktioniert und wo es eine große Eigeninitiative gibt. Hier schaue ich, dass das an vielen Stellen so weiterlaufen kann. Gerade kürzlich haben wir eine spannende Bibelwoche begangen, in der einige Abende durch die Gemeinde gestaltet wurden. Es ging z. B. darum, wie mit Umweltthemen umgegangen wird und wie man das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Glauben versteht.

Auf die weitergeführte Betreuung der Urlaubsgäste freue ich mich schon. Für mich ein spannendes neues Thema, das ich eher aus der Perspektive von Citykirchen kenne. Aus meiner Sicht ist es ein großes Geschenk, das so viele touristische Besucher ins Ostseebad reisen, hier auch die Gottesdienste besuchen oder etwa die Strandkorb-Gespräche wahrnehmen. Urlaub ist oft ein Moment, in dem Menschen Zeit haben, aus dem Alltag rauszukommen und sich vielleicht auch manchen Themen eher öffnen. Zudem ist man im Urlaub außerhalb des Heimat-
ortes und diese Anonymität kann ebenfalls helfen, ins Gespräch zu kommen.

Wie hat sich Kühlungsborn als neuer Wirkungsort ergeben?
Ich stamme aus Pinneberg und wollte gerne wieder in den Norden, nach Norddeutschland zurück. Zuvor hatte ich eine lange Zeit in Südamerika und in Leipzig gelebt. Als Berufsanfänger wird man üblicherweise von der Kirche in seine erste Gemeinde geschickt, wobei heutzutage auch geschaut wird, passt das von der Intention und aus familiärer Sicht. Kühlungsborn habe ich für mich gleich als Chance gesehen. Und auch die Gemeinde sagte, wir trauen das jemand ganz Neuem und Jungem zu. Das gab es hier in dieser Form wohl noch nicht.
Ich empfinde es als einen großen Bonus, hier mitarbeiten zu können. Vielleicht auch etwas Neues auszuprobieren und dabei eine gewünschte andere Perspektive mitzubringen. Bislang hatte ich das Gefühl, mit den Kühlungsbornern wirklich gut in den Dialog zu kommen. Das muss nicht immer an die Funktion des Pastors gebunden sein, sondern kann auch als Familienvater in der Kita passieren oder eben im Fußballverein.

Welche Zusammenarbeit gibt es aktuell mit der katholischen Kirchgemeinde im Ostseebad?
Diese Zusammenarbeit ist bereits über die vergangenen Jahre gewachsen. Ich habe hier auch schon angeknüpft und stehe dem Thema sehr offen gegenüber. Aktuell richten wir gemeinsame Gottesdienste aus, etwa am Buß- und Bettag, oder so wie kürzlich den „Weltgebetstag der Frauen“. Diesen Weltgebetstag begeht man auf dem ganzen Globus und ebenso in Gemeinden deutschlandweit. Das diesjährige Motto Palästina wurde vor vier Jahren ausgewählt, weil es immer einen Vorlauf braucht. Durch die aktuelle Zeitgeschichte wurde das natürlich zu einem politisch aufgeladenen und kontroversen Thema.

Welches waren für Sie prägende Erfahrungen in Santiago de Chile und auf Kuba, vielleicht zwischenmenschlich und auch im Glauben?
Dazu fallen mir ganz viele schöne Momente ein – ich versuche, ein paar herauszugreifen. Meine grundsätzliche Entscheidung für das Theologiestudium ist auf Kuba entstanden. Der Pastor und die dortige Gemeinde haben mich sehr stark geprägt. Sie lebten in einer Minderheitssituation und hatten vor Ort einen großen Mangel, trotzdem aber eine sehr lebendige Gemeindearbeit. Das war eine Mischung aus dem Mangel an Geld und Mitteln, aber hohem Engagement und einem Pflichtbewusstsein, für die Gemeinschaft etwas zu erreichen. Jeder schaut, wo etwas gemacht werden kann. Auch diakonische Projekte, wie das Verteilen von sauberem Trinkwasser und Lebensmitteln, wurden oft ehrenamtlich organisiert. Das ist ein Bild, das mich auf Kuba persönlich sehr stark geprägt hat: Wie Kirche wirklich funktioniert, wie alle gemeinsam mit anpacken und sich selbst auch verwirklichen.

In Santiago de Chile hat mein Vater neun Jahre als Pastor gearbeitet, auch auf eigenen Wunsch. In dieser Zeit bin ich dort aufgewachsen und habe die Sprache gelernt. Es gibt weltweit solche EKD-Auslandsstellen, weil es überall deutsche christliche Minderheiten mit ihren Kirchen gibt. Das hat mich biografisch-familiär beeinflusst und ebenso im Sinne einer Erweiterung, wie man Kirche denken kann: Man ist eben weltweit verbunden und vernetzt, auch in einem konfessionsübergreifenden Sinn.

Was verbinden Sie unter anderem mit der Leipziger Zeit und dem Studium?
Hier war natürlich der ostdeutsche Kontext ein spannender Hintergrund, den ich kennenlernen durfte. Auch in Leipzig konnte ich schon als Küster arbeiten und verinnerlichen, was zu einem Gottesdienst alles dazugehört und bedacht werden muss, nicht nur öffentlich sichtbar, sondern eben im Hintergrund. Aus musikalischer Sicht sehr schön: Der Thomanerchor war öfter in unseren Kirchen zu Gast. Und ein besonderes Erlebnis war 2017 die festliche Einweihung der Universitätskirche, bei der ich als Küster mitwirken konnte.
Die Leipziger Universitätskirche „Paulinum“ mit Aula verkörpert übrigens auch die Frage: In welchem Verhältnis steht Tradition und Innovation? Wie kann man mit der Zeit gehen? Wir haben mit der Kirche einen großen Schatz, was Sprache, Liturgie und Traditionen betrifft. Diesen immer wieder mit der Gegenwart in ein Verhältnis zu setzen, ist die große Herausforderung.

Haben Menschen Ihrer Wahrnehmung nach immer noch das Bedürfnis nach Orientierung, Sinnstiftung und Trost durch Glauben bzw. nach dem Stellen von entsprechenden Fragen?
Ich sehe das Bedürfnis von vielen Menschen, darüber ins Gespräch zu kommen und in einen Austausch zu treten: mit der eigenen Biografie, mit dem eigenen Leben ins Gespräch zu kommen. Hier bietet Kirche oder Glaube nach wie vor einen guten Sprachraum. Bei den Konfirmanden erlebe ich, dass es einen Zuwachs gibt und sich auch junge Familien angesprochen fühlen, etwa von guten Inhalten und Freizeitangeboten in der Gemeinde. In Rostock werden demnächst über 50 junge Menschen konfirmiert, was ich schon bemerkenswert für eine Gemeinde in den neuen Bundesländern finde. Natürlich ist es an vielen Stellen auch so, dass die Menschen nicht zur Kirche kommen – sondern man muss schauen, wie gelangt man zu den Menschen und wie ergibt sich mit ihnen ein Austausch.

Die Urlauberseelsorge ist dafür ein gutes Beispiel. Räumlich gibt es ja die Herausforderung, dass unsere Kirche am Rand des Ortes liegt. Mit den Strandkorb-Gesprächen oder auch der Radwegekirche schaffen wir eine Verbindung und Kontaktmöglichkeiten. Wir müssen als Kirche auch selber schauen: Welches sind die Bedürfnisse und was brauchen die Menschen heutzutage?
Ich finde, wir haben hier richtig gute Impulse, die in der Gemeinde und von Pastor Borchert bereits gesetzt wurden. So wird es auch den Seebrücken-Gottesdienst am 14. Juli 2024 wieder geben, der eine tolle Tradition Kühlungsborns ist. Für Himmelfahrt ist ein weiterer Open-Air-Gottesdienst geplant, dann zusammen mit der Gemeinde aus Rerik am Kägsdorfer Strand. (rla)

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