Nachhaltigkeit nicht ausreichend, aber notwendig

Ein Gastbeitrag von Dr. Helmut Maisel.

Das erste Mal kam ich mit dem Thema Klima, Nachhaltigkeit und allem was dazugehört 1972 in Berührung. In diesem Jahr veröffentlichte der Club of Rome das Buch Grenzen des Wachstums. Meine Seminararbeit zu diesem Thema wurde damals von meinem konservativen, wachstumsorientierten Wirtschaftsprofessor total verrissen. Aus seiner Sicht würden sich die „vermeintlichen“ Entwicklungsgrenzen durch neue Erfindungen immer weiter verschieben, so dass wir uns auch in Bezug auf das Klima keine Sorgen zu machen bräuchten.
Diese Sichtweise hat überwiegend bis heute angehalten, obwohl die Realität eine andere Sprache spricht. Der Club of Rome, ein Zusammenschluss von Experten aus mehr als 30 Ländern, setzt sich seit 1968 für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit ein. Die Umsetzung der Praktiker (Politiker) ist bis jetzt aber überschaubar.

Wenn man heute jemanden fragt, was Nachhaltigkeit bedeutet, erhält man eine Fülle von Antworten von „das weiß ich alles“ (was manchmal stimmt) über „wir können eh‘ nichts machen“ bis zum Leugnen des Klimawandels. Und viele von denen, die den Ansatz kennen, handeln nicht danach.

Was bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit genau? Der Begriff Nachhaltigkeit im deutschen Sprachgebrauch stammt aus der Holzbewirtschaftung des 18. Jahrhunderts. Es galt als das forstwirtschaftliche Prinzip, dass nicht mehr Holz gefällt werden darf, als wieder nachwachsen kann. Dadurch bleibt auf lange Sicht gesehen der Waldbestand in etwa konstant. Holz kann dauerhaft genutzt werden, ohne zu einer Überlastung der Erde zu führen.
Heute wird der Begriff in vielerlei Hinsicht verwendet und bezieht sich letzten Endes auf das Klima. Er wird wirtschaftsorientiert, umweltorientiert und sozialorientiert gebraucht. Synonyme der Nachhaltigkeit sind u. a. auch Zukunftsfähigkeit und Enkeltauglichkeit. Zusammengefasst soll unser Wirtschaften die Chancen der nachfolgenden Generationen nicht mindern.

Also was können und müssen wir tun? Einer der wesentlichen Aspekte ist die Verbesserung der Information über die Entwicklung unseres Klimas, um das Bewusstsein für diese Problematik zu steigern. Nur dann werden die Menschen mitspielen.
Zweitens muss der CO²-Ausstoß verringert werden, wobei wir Industriestaaten mit gutem Beispiel vorangehen sollten. Denn wir haben es dem Rest der Welt ja eingebrockt. Bei all dem hilft auch das angewandte nachhaltige Verhalten.

Aber das alles wird nicht reichen.
Angelehnt an den Kohlenstoffkreislauf der Welt, der seit Jahrmillionen in etwa ein Gleichgewicht geschaffen hat und nur durch die zunehmende CO²-Produktion aufgrund der industriellen Revolution aus dem Ruder gelaufen ist, müssen wir versuchen, CO² aus der Atmosphäre herausholen.
Hierfür gibt es schon Ansätze (CCS = Carbon-Capture-Storage = auf deutsch Kohlendioxid einfangen und lagern) Aber dieser Prozess steht noch am Anfang und wird lange nicht das notwendige CCS-Volumen erreichen.
Deshalb benötigen wir zusätzliche Maßnahmen. Hierzu zählt der Ausbau der erneuerbaren Energien, die insgesamt zu weniger Kohlendioxid bei der Energieproduktion führen. Zusätzlich ist es notwendig, die Nutzung von Energie zu verringern. Und hier hilft nachhaltiges Verhalten. Ohne jetzt auf einzelne Beispiele einzugehen, kann jeder von uns mit den Gütern, die er kauft und den
Dienstleistungen, die er nachfragt, sparsamer umgehen. Das bedeutet nicht, auf möglichst alles zu verzichten, sondern überall da, wo es leicht möglich ist bzw. vertretbar weh tut.
Und was bedeutet dies für den Tourismus? Es heißt auf keinen Fall, auf Urlaub zu verzichten, sondern bewusst damit umzugehen. Habe ich zum Beispiel die richtige Anreiseform gewählt? Wir wissen, dass Fliegen pro Urlauber mehr CO² produziert als mit der Bahn oder dem eigenen Auto unterwegs zu sein. Bei manchen Zielen ist man natürlich auf bestimmte Verkehrsmittel angewiesen. Aber auch hier kann man zum Beispiel anstatt mehrerer kleine Urlaube weniger größere buchen. Letztendlich muss jeder selbst entscheiden, wie er damit umgeht. Allein darüber nachzudenken und zu reflektieren ist schon ein erster Schritt.
Dabei sollten wir immer bedenken, dass 2015, als die meisten Staaten in Paris bei der Weltklimakonferenz der UNO vereinbarten, den CO²-Ausstoß bis 2030 um fast die Hälfte zu senken und bis 2050 klimaneutral zu werden. Leider ist die Kohlendioxidproduktion seither jedes Jahr weiter gestiegen. Und jedes Jahr, das wir noch verlieren, führt in der Zukunft zu überproportionalen Anstrengungen und somit steigenden Kosten.
Die Tourismusbranche selbst kann langfristig nur erfolgreich sein, wenn sie die Klimaentwicklung mit berücksichtigt. Man muss den Gästen das Gefühl eines „sanften Urlaubs“ vermitteln; aber ohne Vorspiegelung falscher Tatsachen. Eine Möglichkeit besteht zum Bespiel im Angebot von weniger klimaschädlichen Freizeitgestaltungen oder in der Motivation, das eigene Auto am Urlaubsort öfter stehen zu lassen und lieber geeignete Nahverkehrsmittel zu nutzen usw.

Außerdem kann man den Gästen zeigen, was man selbst im Bereich der Unterkünfte (Hotel oder Ferienwohnung) zu weniger CO²-Ausstoß beiträgt. Dies kann dazu führen, dass sich Gäste für Urlaubsorte entscheiden, die insgesamt zu einem „klimafreundlicheren“ Urlaub führen. Man fühlt sich wohler, hat kein schlechtes Gewissen und kann den Urlaub genießen. Damit entwickelt man einen nicht zu vernachlässigenden Wettbewerbsvorteil.

Wir haben noch eine Chance. Und die müssen wir nutzen. Die Tourismus GmbH Kühlungsborn hat mit einem im Februar 2024 durchgeführten Workshop zur Nachhaltigkeit bereits des ersten Schritt getan. Weitere werden sicher folgen. (hma)

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