Portrait eines Chefkochs: Sebastian Völz

Vom Adlon an die Ostsee: Sebastian Völz kocht im Hansa-Haus

 

Friederike Hegner_TSK_Gourmet_Tage 2015 Kühlungsborn-4_webEr ist erst 34 Jahre alt und hat schon in den besten Küchen Deutschlands gekocht: Im Michelin-gekrönten Spitzenrestaurant des Berliner Hotels Adlon, im Fünf-Sterne-Hotel „Elephant“ in Weimar, im Gourmet-Restaurant „Traube Tonbach“ im Schwarzwald oder im Sterne-Restaurant „Königshof“ in München. Außerdem stand Sebastian Völz auch in Frankreich, Österreich, Italien oder Thailand am Herd. Im April hat der Weimarer im Hansa-Haus direkt am Strand von Kühlungsborn sein Restaurant eröffnet. Warum er ausgerechnet in das Ostseebad gekommen ist, erzählt der Koch-Profi aus Thüringen im Interview.

WAS MACHT FÜR SIE GUTES ESSEN AUS?
Ein gutes Essen besteht aus Geschmack und Gesellschaft: Ob Matjesbrötchen oder Seezunge – es mundet nur, wenn der Hering wirklich butterzart und das Brötchen knusprig ist oder die frische Seezunge nach salziger Seeluft und Meer schmeckt. Wenn man all dies, hervorragende Produkte und handwerklich beste Zubereitung, dann mit guten Freunden zum frisch gezapften Bier oder einem schönen Glas Wein genießt, macht es noch mehr Spaß. Die Liebe zum Produkt macht ein gutes Gericht aus. Dann kann man in der Küche wirklich aus fast allem etwas richtig Leckeres kochen.

WAS ESSEN SIE AM LIEBSTEN?
Ich hab kein Spezialgericht. Ich mag einfach gutes Essen. Als Kind liebte ich Omas geschmorte Rouladen zu handgemachten Thüringer Klößen. Ich habe sie so oft nachgekocht, aber ihre waren und bleiben die Besten. Oder die beste Gänsestopfleber meines Lebens: Die habe ich bei Marc Haeberlin in seinem elsässischem Restaurant L‘Auberge de l‘Ill, das mit drei Michelin- Sternen ausgezeichnet ist, gegessen. Klassisch, einfach und von einem bombastischen Geschmack. Ich mag aber auch sehr gern asiatische Küche. Mit den Aromen spiele ich in vielen meiner Gerichte. Aber ich geh auch gern zum Inder hier in Kühlungsborn. Authentische gut gemachte Küche, die liebe ich. Ich esse nicht gern einseitig, sondern mag die Abwechslung. Deshalb kann ich auch gar nicht sagen, was mein Lieblingsgericht ist. Es muss schmecken, das ist einfach das Wichtigste. Und das beginnt beim Produkt: Wenn das Ei vom freilaufenden Huhn kommt, das Gras und Körner pickt, dann schmeckt man das. Und aus der Metzgerei meines Opas weiß ich, dass ein mit Liebe aufgezogenes Rind anders schmeckt als Fleisch aus Massentierhaltung. Aber es muss nicht immer Bio sein. Mir ist wichtig, dass ich den Erzeuger kenne, den Bauern, den Bäcker, den Fischer.

WARUM SIND SIE NACH KÜHLUNGSBORN GEKOMMEN?
Diese Lage, diese Aussicht. Kein Hotel in Deutschland ist näher am Strand als das Schloss am Meer und das Hansa-Haus. Man frühstückt mit Blick auf die See und man schläft ein mit dem Rauschen der Wellen am Strand. Vor fünf Jahren lernte ich den Inhaber, Professor Wagner, im Berliner Adlon kennen. Er hatte einen Traum von einem Haus am Meer, in dem der Gast genießt: Den Blick, das Essen, den Komfort. Ich wollte gern mit jemandem zusammenarbeiten, der seinen Traum lebt. Das war der ausschlaggebende Grund, um hierher zu kommen. Ich mache ja hier nicht nur die Küche, sondern die komplette Gastronomie. Ich kann kreativ arbeiten und ein Teil des Traumes sein. Zum Beispiel habe ich die Küche hier selbst geplant, das ist der Traum eines jeden Küchenchefs. In meinem 80 Quadratmeter großen Reich kann ich bald auch Kochkurse und Events anbieten, das ist einfach genial. Und stellen Sie sich vor: Ich arbeite jeden Tag mit Meerblick! Vom Herd schaue ich auf die Ostsee. So wie die Gäste aus ihren Zimmern und die Besucher im neuen Restaurant. Das wird generell alles ziemlich einzigartig hier.

WORAUF KÖNNEN SICH DIE GÄSTE BEI IHNEN FREUEN?
Spaß! Es soll trotz höchstem Niveau nicht steif sein. Bei mir steht Spaß, Entspannung und Genuss im Vordergrund. Hier isst man mit Händen und Besteck. Und erlebt ein paar Sachen, die sonst nicht auf den Tisch kommen und die man so nicht kennt. Zum Beispiel den Ostsee-Skorpion. Oder selbst geräucherte Makrelen. Wir machen hier alles selbst: Unsere Marmeladen beim Frühstück, unser Brot. Und es ist für jeden Geldbeutel etwas dabei. Ob jemand kommt und nur eine Vorspeise isst oder nur einen Hauptgang – bei uns sind alle herzlich willkommen, den Blick auf die See und vor allem das Essen zu genießen.

WARUM WOLLTEN SIE KOCH WERDEN?
Schon als Kind hat mich fasziniert, was aus frischen und guten Zutaten entstehen kann. Wenn bei meiner Oma der Duft nach frischem Apfelkuchen durchs Haus zog, das war das Größte: In den Sommerferien war ich oft bei meinen Großeltern in Thüringen. In der Metzgerei meines Opas habe ich Wurst gemacht und Schinken geräuchert. Und wenn ich dann heimkam, hatte Oma gebacken: Der beste Apfelkuchen, mit einem knusprigen Mürbeteigboden, einer lockeren Quarkschicht drauf, frischen Äpfeln aus unserem Obstgarten und gerösteten Mandeln. Aus vorhandenen Zutaten Neues zu schaffen begeistert mich noch heute jeden Tag, kochen ist nie einseitig. Koch ist für mich der perfekte Beruf. Nach meiner Ausbildung war es mir möglich nach Asien, Tonga Islands, Frankreich, Italien sowie Österreich zu reisen und verschiedene Koch-Stile und Küchenchefs kennenzulernen. In welchem anderen Beruf kann man die Welt entdecken und schmecken?

WAS MACHEN SIE, WENN SIE NICHT KOCHEN?
Kochen (lacht). Als passionierter Koch gibt es eigentlich keinen Tag, an dem man nicht an Essen denkt. In meiner Freizeit probiere ich viele neue Ideen aus. Auch wenn ich im Urlaub bin, findet man mich selten bei den beliebten Sehenswürdigkeiten. Mein erster Stopp führt mich immer zu den kleinen Marktständen, auf denen Trubel herrscht, fremde Gerüche in der Luft liegen und exotisches Obst und Gemüse auf mich warten.

WAS ZEICHNET IN IHREN AUGEN KÜHLUNGSBORN KULINARISCH AUS?
Kühlungsborn hat großes Potenzial! Die direkte Lage am Ostseestrand, die größte Promenade Deutschlands, immer frischer Fisch – im Tourismusbereich sind wir sehr gut aufgestellt. Auch im kulinarischen Bereich entwickelt sich Kühlungsborn großartig. Die Gourmet-Tage, bei denen Spitzenköche aus der Region die Gäste mit feinsten und kreativsten Gängen aus Zutaten der Region zaubern, sind nur ein Beispiel hierfür.

UND WAS HABEN SIE VOR?
Wir haben unser Gourmet-Restaurant im Mai eröffnet. Ich freue mich darauf, die Gäste mit meinen Ideen und Kreationen zu überraschen und hoffentlich zu begeistern und gemeinsam mit den Kollegen vor Ort Kühlungsborn kulinarische Highlights zu bescheren.

HABEN SIE EIN VORBILD IN DER KOCH-SZENE?
Klar, ich bewundere die Altmeister der Szene, einen Witzigmann, einen der Pioniere des Genusses in Deutschland. Oder Harald Wohlfahrt, der seit fast einem Vierteljahrhundert drei Sterne hält, das ist eine unglaubliche Leistung. Aber auch ein Pierre Nippkow, der mit einem Drei-Mann-Team ein paar Kilometer entfernt einen Stern erkocht, das finde ich grandios! Sie alle sind weder abgehoben noch arrogant, sondern bodenständig und lieben eine gut gemachte Bulette oder ein perfekt gebratenes Spiegelei immer noch. Das sind meine Vorbilder, ja.

WELCHE ZEIT WAR FÜR SIE BERUFLICH BISHER AM SPANNENDSTEN?
Die jetzt! Gerade entsteht so viel Neues, ich bin gespannt, was noch kommt. Aber egal auf welchem Kontinent ich gekocht habe, ich habe immer dazugelernt. Bei dem einen hab ich abgeschaut, wie man perfekt Fisch macht, bei dem anderen das Fleisch, die Patisserie, den Einkauf… Man nimmt überall wirklich immer etwas mit. Es ist toll, dass die Köche nach der Lehre in die Welt hinausgehen, weil man nicht immer nur alles von einem Koch lernen kann. Der eine macht´s so, der andere anders. Und so entwickelt man Stück für Stück seinen eigenen Stil, seine eigene Handschrift. (ado)

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