Reihe: Familiengeführte Hotels in Kühlungsborn – Hotel Westfalia

Denkmalgeschützte Bädervillen, Flanieren zur Strandpromenade, das vielbesuchte „Haus des Gastes“, Zugänge zum Stadtwald und ein echtes Stück lokaler Familientradition: das alles ist in der Kühlungsborner Ostseeallee zu finden. Was das Hotel Westfalia betrifft, können die Gastgeber heute sogar auf fünf Generationen zurückschauen. Im Strandgut-Interview werfen wir einen Blick hinter die Kulissen des Hauses.

 

Im Gespräch mit Jens Nissen vom Hotel Westfalia

Was haben Sie an konkreten Dingen verändert und was von den Eltern haben Sie weitergeführt?
Unser Hotel ist im Vergleich zu anderen Häusern ein kleines Hotel mit wenigen Zimmern. Dadurch haben wir schon immer eine besondere Art der persönlichen Gästeansprache pflegen können. Diese Philosophie habe ich auf jeden Fall übernommen und führe das Haus in diesem Sinne auch gern so weiter. Für Gäste, die Wert auf diese persönliche Ansprache legen, ist es bei
uns wie eine Art „nach Hause kommen“. Das ist für mich mit das schönste Kompliment, welches ich von meinen Gästen erhalten kann. 2009 bin ich wieder nach Kühlungsborn zurückgekehrt,
um in den elterlichen Betrieb einzusteigen. Ich hatte ausreichend Zeit, in meine neuen Aufgaben hineinzuwachsen. Dabei habe ich bereits versucht, gewisse Dinge in gemeinsamen Entscheidungen umzusetzen. So schafften wir 2010 ein Blockheizkraftwerk an, als die Erneuerung der Anlage zur Diskussion stand. Eine erste Maßnahme in Richtung Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien. Das war für mich wichtig und ist es nach wie vor. Digitalisierung, Internetpräsenz und Marketing sind weitere Themen, die ich nach meinen Vorstellungen entsprechend verändern konnte.

Welche Veränderungen gab es beim „Look“ des Hotels?
Schon in der Übergangszeit 2015/16 haben wir begonnen, die Zimmer zu renovieren. Meine Mutter hat mir diesbezüglich freie Hand gelassen. Wir haben uns oft ausgetauscht, so dass ich von den langjährigen Erfahrungen meiner Eltern profitieren konnte. Ein konkretes Thema war die moderne Gestaltung unserer Bäder, eine weitere Frage war die Möblierung der Zimmer, um neue Akzente zu setzen. Andere familiengeführte Häuser machen das sicher ähnlich, weil es auch nur mit der Familie geht. Familienbetrieb ist Familienbetrieb.

Arbeitet die Elterngeneration noch aktiv im Hotelbetrieb mit?
Nein, seit einigen Jahren führe ich das Hotel eigenständig. Es gibt natürlich im Hintergrund immer private Gespräche. Familie und Betrieb sind schwer voneinander zu trennen. Jetzt, da ich selbst in der Verantwortung stehe, kann ich übrigens viele Aussagen meiner Mutter besser nachvollziehen. Dass man z. B. abends wirklich zuhause sitzt und noch grübelt, weil man sich auch kritisch hinterfragt, wenn Dinge doch mal schiefgelaufen sind oder aber wenn es lobende Rückmeldungen gab.

Wie ist der Name „Hotel Westfalia“ historisch entstanden?
Mein Ur-Urgroßvater war Schuhmachermeister mit eigener Werkstatt. Diese hat er verkauft und ein Grundstück im damaligen Bülowweg erworben, der heutigen Ostseeallee. Dort eröffnete er das „Hotel & Pension Rusch“, das jetzige „Hotel am Strand“. Bald wurde die Fläche nebenan erworben und die „Westfalia“ als Logierhaus gebaut. Die ersten Gäste, die dort genächtigt haben, sollen der Überlieferung nach aus Westfalen gekommen sein und waren somit die Namensgeber. Dies sollte eine glückbringende Wirkung haben. In der Gründerzeit hatten ja viele Häuser Namensgebungen wie z. B. „Fortuna“, „Borussia“ oder „Germania“. Allerdings höre ich auch öfter in Gast-Gründergeneration Max Rusch gesprächen, dass man ein „Haus Westfalen“ nicht unbedingt an der Ostsee erwartet hätte.

Gibt es noch Erinnerungsstücke aus der Gründergeneration des Ur-Urgroßvaters?
Tatsächlich, wir haben noch einiges Geschirr, konkret Sahnekännchen und Besteck aus dieser Zeit. Einiges ist sogar immer noch in Benutzung. Es gibt alte Fotos, die im Eingangsbereich sichtbar sind, und darüber hinaus einige Postkarten. Aus der 2. Generation meines Urgroßvaters haben sich noch eine gemalte Werbetafel und Servietten mit der Aufschrift „Hotel Pension Rusch“ erhalten. Vieles ist natürlich verlorengegangen durch den Krieg, die Nachkriegszeit und die Enteignungen 1953. Ich selbst bin hier aufgewachsen und habe versucht, mir vorzustellen, was es bedeutete, wenn meine Großeltern die Geschichten von früher erzählten. Für mich war das damals gefühlt ganz weit weg.

Was zum Beispiel ist für den „Chef“ in einem inhabergeführten Hotel anders?
In einem kleineren Betrieb müssen immer alle mit anfassen, das geht gar nicht anders. So zieht der Hausmeister schonmal die Betten ab, um die Kolleginnen vom Zimmerservice zu entlasten. Genauso stehe ich im Garten auf der Leiter oder bin im Service unterwegs.

Woher kommen Ihre Stammgäste?
Eigentlich aus allen Regionen Deutschlands. Für jede Saisonzeit haben wir bestimmte Stammgäste: aus Nordrhein-Westfalen, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, und genauso aus Sachsen, Thüringen und Berlin. Ich habe auch viele lokale Gäste, beispielsweise aus Schwerin. Dazu kommen regelmäßig Urlauber aus Luxemburg und der Schweiz. Einige haben sich aufgrund der heißeren Sommer am Mittelmeer bewusst auf die mildere Ostseeküste verlegt.

Welche aktuellen Vorhaben bzw. Zukunftspläne gibt es?
Was mich aktuell umtreibt ist das gesamte Thema Energiewende und Nachhaltigkeit. Wir versuchen immer mehr, auf Plastik zu verzichten. Das gestaltet sich in der Gastronomie gar nicht mal so einfach, z. B. bei verpackten Kleinportionen und Lebensmitteln, was aus Pandemiegründen allerdings wieder stärker notwendig wurde. Hier Lösungen zu finden ist eine Herausforderung unserer Zeit.

 

Historie

  • 1903 Eröffnung „Hotel & Pension
    Rusch“, gegründet vom Ur-Urgroßvater
  • 1910 als Erweiterung Eröffnung des
    Hauses „Westfalia“
  • Jens Nissen, Jahrgang 1972,
    Einstieg 2009,
    seit 2016 Inhaber und Gastgeber
  • Hotelteam: insgesamt 9 Mitarbeiter &
    Mitarbeiterinnen, darunter langjährige
    Kollegen & Kolleginnen

www.westfalia-kuehlungsborn.de

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